VIDEOSCHNITT
Stand: 25.02.16

Allgemein
Ein Roadmovie, wie ich es mal nennen will, entsteht nicht mit der Aufnahme durch die Actioncam, sondern durch die Nachbearbeitung!
Die von mir im Vorwort schon zitierte, absolut miserable Qualität von mindestens 90% der Fahrradvideos begründet sich ja nicht nur auf schlechten Cams, sondern aus der Diskrepanz des eigenen Erlebnisses und der Erwartung des unbeteiligten Zuschauers an den Film.
Für ein gutes Video braucht man einfach Zeit. Cutter sagen eine Minute Video=1 Stunde Videoschnitt. So viel Zeit möchte ich in meine kleinen Vidoeclips nun nicht investieren, aber ein wenig Schneiden und Vertonen ist mehr als sinnvoll!

Lassen wir doch erst mal die Actioncam aussen vor und gehen ins Kino, in einen Film, von dem wir nicht wissen was uns erwartet. Jetzt greife jeder an seine eigene Nase und beurteile folgende, erste Minuten des Films:•schlechtes, pixeliges Bild, unscharfe und verwaschene Details
• das Bild wackelt und zittert
• die Kameraperspektive bleibt immer gleich
• endlose Fahrten entlang einer Strasse, ohne das sich wirklich etwas ereignet
• Originalton, scheppernd, dumpf oder aber lieblos einfach mit einem Musiktitel unterlegt, den O-Ton gibts gar nicht mehr
Wie lange schaut ihr euch das wirklich an? Die Antwort kann ich mir gut vorstellen und genauso weden eure Videos von Anderen beurteilt, wenn ihr sie so ins Netz stellt.

Videolaufzeit
Als gutes Beispiel für die Sehgewohnheiten respektive Erwartungen der Zuschauer kann ich meine eigenen Videos bei Youtube anführen. Der längste Beitrag läuft über 40 Minuten. In der Youtube Statistik sehe ich zwar viele 1000e Klicks darauf, beachtet man aber die Zeit, die der Zuseher mit dem Video verbringt, bleiben von den 40 Minuten gerade mal 13 übrig, es wird laufend weiter gespult. Die Wenigsten sehen sich komplette 40 Minuten Radfahren an und wenn fahren sie bestimmt gerade auf dem Indoor-Trainer.
Meine folgenden Produktionen wurden daher immer kürzer. Das Sehverhalten belegt dabei, dass ein 12-15 Minutenvideo schon die absolute Obergrenze dessen ist, was komplett angesehen wird. Das letzte, schnell zusammengeschnittene Video, eigentlich ohne wirkliche Höhepunkte von nur 5 Minuten Dauer ist das, welches nahezu zu 100% von Anfang bis Ende von allen Betrachtern akzeptiert wird.
Auf Grund dieser statistischen Auswertung der Zuschauererwartungen kann ich nur raten nie mehr als 10 Minuten zu produzieren.

Kameraperspektiven
Ein weiteres Problem dieser Art von Video ist die Kameraperspektive. In der Regel fehlt eine parallele, zweite Kamerposition. Alle Aufnahmen erfolgen also von der fahrenden Plattform aus. Die einzige Möglichkeit jetzt mehr Abwechslung in ein Video zu bringen ist am Fahrrad die Aufnahmeposition öfters zu wechseln. Man möge mir glauben, dass es am Fahrrad nicht eine einzige Stelle gibt, wo man die Kamera nicht platzieren kann. Im Gegenteil, je exotischer die Kameraposition um so interessanter für den Betrachter.
Auch die Aufnahmen aus der Hand (man sollte dabei nie die Fahrsicherheit aus den Augen verlieren) mit schnellen Drehungen oder Schwenks, selbst schief gehalten können prima in ein Video eingefügt werden.
In meinen bisherigen Radvideos hat mir immer eines missfallen: Kamera-/halterungsbedingt schwebte die Aufnahme frei im Raum, die Kamera konnte keine direkte Verbindung zum Fahrrad herstellen. Die Videos hätten auch vom Motorrad aus gemacht sein können. Mit meiner neuen Actioncam habe ich endlich andere Befestigungsoptionen und grösseren Weitwinkel. Jetzt ist in den Aufnahmen immer ein Teil des Fahrrades zu sehen, was dem Betrachter endlich einen Orientierungspunkt gibt. Auch bei der Rückwärtsperspektive achte ich darauf, dass das Hinterrad ein Stück weit zu sehen ist.
Die Analyse des Sehverhaltens zeigt ausserdem, dass man lange Sequenzen (>20 Sekunden) möglichst nicht verwenden sollte, ausser es passiert Spektakuläres. 5-10 Sekunden Schnitte erzeugen mehr Spannung und dienen gleichzeitig als Zeitraffer bei einer langen Ausfahrt.

Vor- und Nachspann
Einen Vor- und Nachspann sollte das Video auch haben. Der unwissende Betrachter erwartet nachvollziehbare Informationen, sei es als Text oder als Kommentar.

Nachvertonung
Zur Nachvertonung gehört natürlich auch Musik. Natürlich juckt es einen zu Titeln aus den Charts zu greifen, hier bewegen wir uns aber in einer rechtlichen Grauzone. Verwendet man urheberrechtlich geschützte Musik, wird das Video bei Youtube in Deutschland nicht mehr wieder gegeben, schlecht! In der Regel habe ich dann keine Lust über einen Proxy doch Zugriff zu erhalten, das Video hat sich für mich erledigt.
Die Lösung sind freie Musikangebote. Hier wird in der Regel vom Nutzer nur erwartet, das Quelle und Interpret im Video genannt werden und eine gewerbliche Nutzung ausgeschlossen ist. Ich bediene mich meist bei diesen Angeboten:
• Jamendo
• MyOwnMusic
• Salamisound
Bei anderen Musikproduktionen habe ich den Magix MusicMaker eingesetzt. Damit kann auch ein Laie aus vorgegebenen Loops schnell geeigneten Hintergrundsound gemafrei erstellen. Weiterer Vorteil, man kann schnittgenaue Musik prodzieren, allerdings muss man hier noch mehr Zeit in sein Projekt investieren.

GPS-Parameter in das Video einblenden
Sowohl Garmin als auch Sony und GoPro bieten ein Programm an, welches den Videoschnitt und das Einblenden von Parametern wie GPS-Position oder Geschwindigkeit etc ermöglicht. Das funktioniert zwar relativ einfach, aber nun kommt die Crux an dieser Simplizität: Die Qualität des Videos wird durch das Einblenden eines Overlayvideos mit den Parametern schlechter. Vergleicht man das Original mit dem Video mit den eingeblendeten Daten ist letzteres sichtbar matschig, unscharf geworden. Die VIRB liefert schon grundsätzlich nur mässige Video-Qualität, aber nach dieser Bearbeitung fällt das Ergebnis in den Bereich der 100€ Cams zurück.

Wie komme ich dann an ein Overlayvideo ohne Qualitätsverlust?
Hier gibt es für den engagierten Cutter nur eine brauchbare Möglichkeit: Mittels Greenbox Verfahren (früher nannte man es auch Bluebox) diese Parameter in das Original-Video einzublenden. Wie das geht? In Kurzform am Beispiel des kostenlosen Programmes Dashware erklärt:
1.Länge des Videos ermitteln.
2.im Videoschnittprogramm eine entsprechend lange Videosequenz ohne Inhalte mit einem  gleichmässigen, grünen Hintergrund erzeugen.
3.diese Sequenz als MP4 exportieren
4.die exportierte Sequenz in das Freeware-Programm DASHWARE importieren
5.in DASHWARE die Datei mit den Daten aus dem Navi oder der Actioncam dazu laden
6.in DASHWARE Art der Darstellung und Grösse sowie Position festlegen und das Video exportieren. Nun liegt ein Video mit den Aufzeichnungsdaten des Navis auf grünem Hintergrund vor.
7.nun lade ich in zB  EDIUS die originale Fahraufnahme in Videospur 1, das DASHWARE Video in Videospur 2. Auf Spur 2 aktiviere ich jetzt die Chromakey-Funktion und sofort wird die grüne Farbe des Videos transparent. Ich sehe die eingeblendeten Parameter in meinem Fahrvideo und das ohne Qualitätsverlust der Videospur 1.

Videoschnittprogramme
Zweifelsfrei sind teure Schnittprogramme die erste Wahl. Ich nutze z.B Edius in der aktuellen Version. Mehrere Video- und Tonspuren ermöglichen das beliebige Kombinieren und bieten gerade bei der eingeschränkten Perspektivwahl am Fahrrad die Möglichkeit mehr als eine Kameraposition gleichzeitig wieder zu geben.
Diese Programme sind allerdings für den Gelegenheitscutter doch eine finanzielle Herausforderung. Relativ funktionsreich sind die Videoschnittprogramme von Magix oder Cyberlink. Wenn man sich hier für eine Vorjahresversion entscheidet, kann man zu Preisen unter 50€ bereits ein brauchbares Schnittprogramm erwerben. Man sollte aber Zeit mitbringen, um sich in die Materie Videoschnitt einzuarbeiten.
Wichtig bei der Wahl eines Schnittprogrammes sind die Möglichkeiten mehrere Video- und Audiospuren parallel laufen lassen zu können. Alles unter 4 Videospuren ist untauglich!
Die Einfachlösungen aus dem Freewaresektor oder aber von den Actioncam-Herstellern Sony, GoPro oder Garmin VIRB bieten nur rudimentäre Funktionen. Aber es ist immer noch besser mit diesen Einfachlösungen sein Roadmovie auf eine erträgliche Länge zu kürzen als es ungeschnitten und unkommentiert Online zu stellen und wohl nahezu jeden, der es anklickt, zu frustrieren.

Automatisierter Videoschnitt
Nach einigen kleinen Tests mit Demoversionen kann ich von der neuen Art Schnittprogramm wie zB Magix Fastcut nur abraten.  Ein Programm, welches automatisch ein Video zusammenschneiden können soll wird es in absehbarer Zukunft erst mal nicht geben. In meinen Augen rausgeworfenes Geld.

Nachträgliche Bildstabilisation
Gerade bei Actioncam Aufnahmen vom Fahrrad wirklich gut angelegtes Geld ist dagegen das Programm Mercalli 4. Es ist wirklich aussergewöhnlich, wie extrem das Programm total verwackelte aber auch durch CMOS Fehler beeinträchtigte Videos beruhigen kann! Nachteil wie immer, es geht etwas Bildqualität verloren. Wer die Steadyshotfunktion der Sony Actioncams kennt, Mercalli 4 macht es noch besser! Allerdings sind die Hardware Anforderungen an den PC recht hoch! Idealerweise sollte es schon eine i7 Intel-CPU sein!
Da ich nur in 4K auhzeichne steht mir an der Sony kein SteadyShot zur Verfügung. Hier hat mich die Befestigung der Cam aber den Verlust der Funktion verschmerzen lassen (siehe unter "Halterungen")

Videoschnitt Hardware
Voller Enthusiasmus habe ich meine Videotechnik auf 4K umgestellt. Die Ernüchterung kam dann bei der Postproduktion der Videos. Ein Intel i2500K und 32GB RAM brachte nur ruckelnde Bilder zu Tage, Videoschnitt mit Edius in Realtime, wie ich es von HD-Aufnahmen kannte, gehörte der Vergangenheit an.
Wer sich also mit dem Gedanken 4K zu produzieren beschäftigt, kommt um folgende, nicht gerade billige Hardware nicht herum:
• Intel i7, ab 4000er Generation und neuer
• 16GB RAM
• Grafikkarte mit mindestens 2GB, besser 4GB.
• reichlich TB Festplattenkapazität.
Das sind eigentlich schon Anforderungen an einen sehr guten Spiele-PC, nur die Grafikkarte muss nicht Highend sein. Oder doch? Hier hilft nur ein Blick in die Features der Videobearbeitungssoftware, egal ob Schnittprogramm oder Titler oder Trickprogramm. Einige dieser Programme nutzen nämlich die GPU der Grafikkarte, was zum rasanten Beschleunigen bei der Bearbeitung von Videos führen kann. Mein EDIUS will nur Rechenpower von der CPU, je mehr Kerne desto besser und QuickSync mit H265 Unterstützung.

HD-Produktionen profitieren natürlich auch von der besten Hardware, aber ab der i3-Generation von Intel, 8GB Speicher und 1GB Grafikkarte sollte ein nicht zu anspruchvolles Projekt gut realisierbar sein.

Danke für's Lesen!
Meine Fahrradwelt auf KetteRechts.de