Vorwort
Im Vorfeld meines Fahrrad Neukaufs habe ich mich bereits intensiv in die Materie Powermeter eingelesen. Es gibt viele verschiedene Systeme zu stark unterschiedlichen Preisen und Probleme mit der Technik selbst sind auch nicht gerade selten. Ausserdem ist es mit der Anschaffung eines PM nicht getan. Ohne theoretisches Basiswissen in diese Investition genau so sinnlos wie der Versuch einer Auswertung der anfallenden Daten ohne Software(PC).
Nicht vergessen sollte man, dass man zum PM auch einen Bikecomputer benötigt, der GPS, TF und HF aufzeichnen kann. Eine Übersicht über derartige Geräte ist
hier zu finden.
Die verschiedenen Powermeter Systeme
Wattmessung am Hinterrad
Die Messelektronik sitzt hier in der Hinterradnabe, misst also die Kraft, die am Antriebsrad des Fahrrades ankommt. Aus diesem Grund ist eine beidseitige Messung der Kraft an den Pedalen nicht möglich. Dieses System ist eines der ältesten am Markt, hat aber durch die technische Weiterentwicklung der direkt im Antrieb verbauten Powermeter an Bedeutung verloren.
Anbieter derartiger Systeme sind:
Powertap

Wattmessung am Kettenblatt Spider
Hier wird nicht an der Kurbel oder dem Pedal gemessen sondern am Spider, an welchem die Kettenblätter verschraubt werden. Daher gibt es keine beidseitige Messung, es wird immer die Kraft gemessen, die bei den Kettenblättern ankommt.
Leider kann ich zu dieser Technik nicht viel sagen, da sie in meinem Umfeld von niemandem genutzt wird. Ein Manko des Systems ist sicherlich die Bauform des Spiders, welche nicht jede Kettenblattkonfiguration ermöglicht. Hier sollte man sich vor dem Kauf unbedingt informieren, ob das System auf die eigenen Wünsche anpassbar ist. Wer eine andere Kurbel verwenden möchte kann dieses System ebenfalls nicht verwenden.
Powermeter der Firma SRM stellen wohl die Königsklasse dar, zumindest preislich. Ob dieses Preissegment überleben wird wage ich zu bezweifeln.
Anbieter derartiger Systeme sind:
SRM
Quark
Powertap
Power2Max

Wattmessung am Pedal
Diese Lösung ist am häufigsten anzutreffen, da durch den Anwender theoretisch am einfachsten selbst installierbar. Ich schreibe bewusst theoretisch, da Probleme mit der Befestigung durch geringe Toleranzen im Anzugsdrehmoment bei der Montage (Garmin Vector1) oder sich verdrehende Unterlegscheiben (BePro) für einigen Frust bei den Käufern gesorgt haben. Zudem kommt es bei Pedalsystemen auch immer wieder mal zu Beschädigungen am Elektronikpod, der natürlich irgendwo im Pedalbereich untergebracht werden muss. Ein weiteres Manko von Pedalsystemen ist, dass sich alle Hersteller nur auf Pedale der Fa. LOOK eingestellt haben. Lediglich Garmin bietet jetzt zu den Vector2 einen Umbausatz für Shimano-Pedale an. Wer ein beliebiges anderes Pedal nutzt muss sich nach einem anderen System umsehen.
Da Pedalsysteme in meinem Umfeld so häufig sind kann ich unter allen Anbietern ein System empfehlen, welches wohl unter die Rubrik "Sorgenfrei" fällt: Das P1 von Powertap. Leider ist es auch neben Garmin Vector2 das teuerste System, wenn auch gleich für beidseitige Wattmessung.
Vorteil des Pedalsystems: Bei Bedarf könnte man es an verschiedenen Rädern nutzen und due Auswahl der Kurbel ist nicht wie bei den anderen Systemen eingeschränkt.
Der Gerät von Bepro ist aktuell das kostengünstigste am Markt.
Anbieter derartiger Systeme sind:
Garmin
Powertap
BePro

Wattmessung am Kurbelarm
Hier hat sich die Firma Stages einen Namen gemacht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Batterielaufzeit und auch Dichtigkeit des Batteriefachs funktioniert dieses relativ preiswerte System inzwischen sehr zuverlässig. Einen Nachteil gibt es allerdings: Der Sensor wird auf dem linken Kurbelarm angebracht (beidseitige Systeme sind angekündigt). Dies kann man nicht alleine bewerkstelligen. Man muss also eine fertige Kurbel kaufen oder seinen Kurbelarm zur Montage einschicken. Dies geht aber nicht mit allen Kurbeln aller Hersteller und Nutzer von Carbonkurbeln sind vollständig von dem System ausgeschlossen.
Anbieter derartiger Systeme sind:
Stages

Wattmessung an der Kurbelnabe
Diese Variante ist sicherlich die schönste und technisch sicherste, da alle Komponenten versteckt im Kurbelgehäuse untergebracht sind. Von Aussen ist von einem PM nichts zu sehen. Damit scheiden auch alle Arten von Beschädigungen aus, mal ausgenommen einen Totalcrash des Rades.
Bei einem Neukauf Kurbel bzw Rad sollte man sich wirklich überlegen sofort auf ein derartiges System umzusteigen. Betrachtet man den Preisunterschied zwischen nackter Kurbel und gleiche Kurbel mit integriertem PM stellt sich dieses System als die absolut preisgünstigste Wahl dar (Aufpreis zur normalen Kurbel nur 240€ für das PM)! Manko dieses System ist auch hier (bisher) die Einschränkung auf Kurbeln des Herstellers.
Weitere Infos zu dieser Technik stehen hier unter
ROTOR Q-Rings & Powermeter zur Verfügung.
Anbieter derartiger Systeme sind:
ROTOR
Shimano
Powermeter und Auswertung
Hat man sich für ein PM entschieden und die ersten Fahrten hinter sich gebracht steht man vor einem Berg von Daten, mit denen man erst mal nichts anfangen kann. Die Portale Garmin Connect oder Strava stellen einem schon mal die Leistungskurven der PM dar. Neben der Leistung liefern die PM aber noch mehr Daten. Wie kann man diese nun detailliert darstellen und noch wichtiger auswerten um die eigene Leistung spezifizieren zu können? Kurz, die Lösung gibt es zwei Mal, leider bisher nicht via Internetportal sondern nur für lokale Installation auf PC/Mac/Linux.
Die Profilösung (kostenpflichtig) ist
TrainingPeaks. Profilösung nicht nur weil es etwas kostet sondern weil wirklich Profis dieses Portal nutzen. Über das Webportal läuft die Trainingssteuerung aber wichtiger ist das Tool WKO zur Installation auf dem PC. Dieses Tool analysiert und berechnet die Trainings, was die Erstellung eines Trainingsplanes erheblich vereinfacht. WKO ist das komplexeste Stück Software am Markt. Wer wirklich höchste Ambitionen hegt sollte sich die Anschaffung ernsthaft überlegen!
Meine Lösung und damit folge ich der Masse an Anwendern eines PM ist das Programm
Golden Cheetah. Die Software ist Freeware und wird durch engagierte Nutzer und Programmierer ständig erweitert und verbessert. Wer das Programm erstmalig startet wird geradezu erschlagen von den unzähligen Optionen, die geboten werden. GC ist ganz klar die Empfehlung Nr. 1 für den engagierten Hobbysportler.
Wer dann seine Daten erstmalig in GC hochgeladen hat und sich noch nicht mit der Theorie des Powermeterrainings am Rennrad beschäftigt hat kann mit all den Parametern, statistischen Auswertungen und Kurvendiagrammen absolut nichts anfangen, ausser er beschränkt sich auf die ihm schon bekannten Parameter wie HF, TF und Geschwindigkeit. Ohne Basiswissen geht es hier nicht weiter.
Genau an dieser Stelle möchte ich nochmals die Empfehlung aussprechen: Wer nicht Willens ist die Theorie zumindest in ihren Grundzügen zu erlernen sollte von der Anschaffung eines Powermeters Abstand nehmen!

Die Theorie
Ich möchte an dieser Stelle nicht die Theorie erklären. Auch ich bin da nur Zauberlehrling und über ein gesundes Basiswissen noch nicht heraus gekommen. Was ich nur wärmstens empfehlen kann sind zwei Standardwerke:
Für alle PM-Nutzer das Buch:
Wattmessung im Radsport und Triathlon (Autoren: Hunter/Coggan)
Für alle PM-Nutzer über 50 als Ergänzung:
Schnell und fit ab 50: Ein Trainingshandbuch für Ausdauersportler im besten Alter (Autor: Joe Friel)
Erst nach dem Lesen des ersten Buches von Hunter/Coggan erschliesst sich einem die Terminologie von Golden Cheetah und natürlich auch TrainingPeaks.
Wer das schöne Alter jenseits der 50 bereits erreicht hat, dem kann ich nur das zweite Buch wärmstens ans Herz legen. Joe Friel als ungekrönter König der Trainingslehre im Radsport schreibt hier über sich selber, wie er in diesem Alter in der Lage ist sich am Fahrrad fit zu halten. Im Gegensatz zum jungen Menschen verliert man ab ca. 50 jedes Jahr Leistung und man muss seinen Körper anders trainieren als in jungen Jahren. Mit den typischen Trainings scheitert man jenseits der Lebensmitte, daher ist diese Lektüre so interessant und auch kurzweilig geschrieben. Kurzweilig? Nun das ist keine trockene Trainingsfibel sondern mit Bezug auf das erste empfohlene Buch eine mehr prosaische Anleitung im Alter fit zu bleiben. Eben lesenswert.

Zum Abschluss
hoffe ich, konnte ich dem an einem Powermeter interessierten Leser einige grundsätzliche Infos an die Hand geben. Die Technik wird sich weiter verbessern, verändern und auch kostengünstiger werden. Shimano kommt in Kürze, wie üblich zur Premiere mit der neuen DA-Gruppe 9100, mit einem eigenen System auf den Markt. Es scheint dabei, wie ich bereits früher spekuliert habe, nach dem gleichen Prinzip wie ROTOR zu funktionieren. Das wird die Preise weiter drücken und in Richtung Massenmarkt bewegen, spätestens mit der folgenden Ultegra Variante.
Der Preiskampf läuft ja bereits. Ich bezweifle daher stark, dass einige der kleinen Anbieter, die keine grossen Stückzahlen verkaufen können (wie zB BePro, evtl auch Stages) diesen Kampf überleben werden. Darum überlege man sich genau, an welche Firma man sich für die nächsten Jahre hinsichtlich Firmware und Ersatzteilsupport bindet!
Lohnen tut sich der Kauf, wenn man wirklich gezielt seine Leistung verbessern möchte. Dachte ich anfangs, das wäre für mich nur auf der Rolle interessant, da man nur da quasi unter Laborbedingungen seine Intervalle fahren kann, so habe ich meine Meinung inzwischen grundlegend geändert. Kennt man erst mal seine Leistungswerte und weiss mit wieviel Watt man Ausdauer oder Tempo über bestimmte Zeiträume fahren kann, läuft man nicht mehr Gefahr sich zu überfordern. Ein PM ersetzt keine Erfahrung mit dem eigenen Körpergefühl im Ausdauerbereich, aber es hilft nicht ungewollt in die "ungesunden" Belastungsbereiche zu kommen. Für mich hatte das dieses Jahr den Effekt, dass ich auf allen langen Strecken und auch Anstiegen die besten Zeiten ever gefahren bin. Einen besseren Trainingsreiz als Erfolgserlebnisse gibt es nicht.
In dem Sinne wünsche ich allen NewBees im Powermeter Training viel Erfolg und Spass an der eigenen Leistung!

Danke für's Lesen!
Powermeter: Varianten, Technik, Auswertung und Theorie
Stand: 28.09.2016
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